Profi

Diese Zeit wird uns Allen unvergessen bleiben.

Was Ende 1989 und in den darauffolgenden Jahren passiert, stellte Alle und Jeden vor neue Herausforderungen, egal auf welchem Gebiet.
Keiner war darauf gut und richtig vorbereitet.
Auch wir Sportler nicht.

Im November 1989 bemühten sich einige DDR Radsportler noch um einen Profivertrag.
Da die Budgets der Teams schon verplant waren, gestaltete sich dies gar nicht so einfach.
Ich hatte Glück und fand mit Hans Hindelang einen guten Manager.

Mein Vertrag beim Team Panasonic war für 2 Jahre und ich wollte das erste Jahr zum lernen nehmen und im zweiten Jahr versuchen bei den Klassikern mal unter die „ersten Zehn“ zu fahren.
Die Tour de France stand nicht auf „meiner Liste“, denn da komme ich nicht hin und die Berge sind ja sowieso nicht meins.

Für Amateurverhältnisse habe ich die Winterphase noch nie so schlecht und wenig trainiert.
Meine erste gemeinsame Trainingsfahrt mit einem Teamkollegen war schlichtweg frustrierend.
Ich musste „Anschlag fahren“ um mithalten zu können. 10 Tage später stand das erste Rennen in Spanien auf den Plan und ich hatte größte Bedenken zu meiner Form. In der letzten Vorbereitungswoche legte ich einige kurze intensive Sprints im Training hin, um zumindest im Feld das Ziel zu erreichen.

Wieder einmal kam es ganz anders. Die ersten 2 Etappen konnte ich gewinnen und die Mannschaft hat sich für mich voll ins Zeug gelegt.
Die Sprints waren für mich auch noch relativ einfach, da es kaum Gedränge gab.
Mein Team „Panasonic“ ist von vorn richtig gut gefahren. Allerdings war ich auf den letzten Metern von meinen Duellen mit Djamolidin Abdushaparov anderes gewohnt.

Erste Rundfahrt mit 6 Etappen und drei Siege – da kann was nicht stimmen – dachte ich mir.
Natürlich wurden zu dieser Zeit die Rennen auch noch anders gefahren.
Viele Rennfahrer nutzen diese zum „Einrollen“ und Vorbereitung auf die Klassiker.
Aber für mich war das ein toller Einstieg und ich wusste auch, dass es so nicht weitergehen wird.
Bei den Rennfahrern und den Betreuern des Teams hatte ich nun schon ein gutes Standing erlangt.
Der Teamchef Peter Post hatte eine Vorliebe für das Mannschaftszeitfahren und war der Meinung, dass sein Team das Beste sein muss.
In den USA fand die „Tour de Trump“ 1990 statt. Beim Mannschaftszeitfahren waren Wjatschelaw Ekimov und ich die Stärksten.
Auf dem Rückflug fragte mich Peter Post, ob ich mir vorstellen könnte, eine Woche Tour de France zu fahren. Einziges Ziel, eine so starke Leistung im Mannschaftszeitfahren wie hier zur „Tour de Trump“.

Damit hatte er mich!

Das Zeitfahren fand am 4. Tag statt und bis zum Ende der ersten Woche gab es nur eine Bergetappe.
Dann konnte ich nach Hause und war natürlich Feuer und Flamme, von diesem Vorschlag.
Das Mannschaftszeitfahren haben wir mit 7 Sekunden Vorsprung gewonnen, mit einer starken Leistung von mir. Den ersten und einzigen DDR Etappensieg habe ich errungen und konnte mehr als zufrieden mit meiner ersten und wahrscheinlich einzigen Tour de France sein.

Nach einer Woche fuhr ich allerdings auch im grünen Trikot und in einem Führungstrikot steigt man nicht aus. Das konnte ich verstehen und wollte es auch nicht.
Also fuhr ich weiter.
Die angedachten Fahrer für die Gesamtwertung hatten all Ihre Chancen schon verspielt. Außer eventuellen Etappensiegen, gab es, von den 3 Trikots in Paris, nur noch mein Grünes als eventuell möglichen Triumph auf der Champs-Élyseés, für das Team Panasonic.

Also erhielt ich auf den folgenden Etappen immer mehr Unterstützung meiner Teamkollegen und schaffte es „in Grün“ bis nach Paris.
Ein Erfolg, den ich nicht für möglich gehalten hatte und der mir viel Respekt im Team und im Peloton brachte.
Übrigens schaffte ich es mit dem ersten und einzigen DDR-Etappensieg bei der Tour de France auch ins Guinness Buch der Rekorde.

Somit konnte ich Ende 1990 auf ein überaus erfolgreiches erstes Profijahr zurückblicken und hatte jetzt auch beste Vorraussetzungen über das Jahr hinaus im Profi Peloton zu bleiben.
Das es noch insgesamt 7 Jahre werden würde, hätte ich damals nie für möglich gehalten.

Die 3 Jahre beim Team Panasonic waren sehr schöne und Besondere.
Nicht nur wir Rennfahrer haben uns gut verstanden, auch das Personal, die Angehörigen, der Fan – Club.
Es war wie eine große Familie und vielleicht ist das auch ein Grund, das mir der Wechsel vom Amateur zum Profi so gut gelungen ist.

1993 wechselte ich als Kapitän zum Team Telekom und traf viele ehemalige Sportler aus meiner Amateurzeit in dieser Mannschaft wieder.
Mit einem Etappensieg zur Tour, der Bronzemedaille zur Strassenweltmeisterschaft und dem Sieg beim Henninger Turm 1994, gelangen mir noch große Erfolge.
1995 bin ich auf einer Bergetappe zur Tour, mit 12 anderen Fahrern aus der Karenzzeit geflogen und musste die Tour verlassen.

Nun war ich 35 Jahre und es stand wieder die Frage zum aufhören an.

So wollte ich mich aber nicht verabschieden und habe mit Walter Godefroot abgesprochen, dass ich noch 1 Jahr weiter fahre.
Dies allerdings ohne einen Start bei der Tour de France.
So war ich für die Frühjahrsklassiker und die Olympischen Spiele, was jetzt auch als Profi möglich war, motiviert.
Bei den Klassikern hatte ich mit Defekten und einem Sturz etwas Pech, aber zum gewinnen war ich nicht mehr gut genug.

In Atlanta habe ich die entscheidende Gruppe mit gebildet und war da, wo die Medailliengewinner attackiert haben.
Ich war in der Spitzengruppe, konnte aber nicht mit. Somit ist der beste deutsche Starter kein hilfreicher Trost. Anderseits konnte ich Niederlagen schnell abhaken, wenn ich die Ursachen analysieren konnte.
Hier musste ich feststellen, dass ohne die Tour, welche drei Wochen vorher endete, es unmöglich war zu gewinnen.

Mein Abschiedsrennen in Gera war ein riesiges Fest und ich war von der Begeisterung und Anteilnahme sehr berührt.
Damals fanden ca. 20.000 Zuschauer den Weg zum Stadion.
Der Zielstrich lag übrigens 100m von meinem ersten Sieg, beim Anfängerrennen 1972, entfernt.
Man kann sagen, das sich der Kreis nach fast einem Vierteljahrhundert geschlossen hat.

Da ich auf der Bahn immer sehr gut zurecht kam und erfolgreich war, blieben die Anfragen und Angebote zu den 6-Tagerennen nicht aus.
Zu meiner aktiven Zeit durfte ich nur 2-3 Rennen, direkt nach der Saison fahren.
Nach Abschluss meiner Straßenkarriere war ich vollkommen frei in meiner Entscheidung.

So bin ich bis Februar 1997 noch auf der Bahn unterwegs gewesen und habe dann mein „Rad an den Nagel gehängt“.
Das hätte ich natürlich 1989/90 nie für möglich gehalten, aber wie heißt es so schön:

„ Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt“.